Eine Karriere lag ihr als Frau nicht gerade zu Füßen. Trotzdem brachte es Lotte Laserstein zu beachtlichem Erfolg und finanzieller Unabhängigkeit – mit Strategien, die 100 Jahre später noch genauso wirksam sind.
Selbstbewusst und kritisch zugleich vergewissert sich die junge Frau ihres Aussehens. Das schicke rote Samtoberteil, an Hals und Handgelenken kess verknotet, sitzt ebenso perfekt wie der Lippenstift. Lotte Laserstein zeigt ihr Modell mit flauschigem Wattebausch, beim abschließenden Griff zur Puderdose. Konzentriert blickt sie in den kleinen Spiegel, während ein zweiter großer Spiegel ihr Profil einfängt. Einen direkten Blickkontakt verwehrt sie uns hingegen, und so fällt unsere Aufmerksamkeit auf die Puderdose, die heimliche zweite Protagonistin des Gemäldes.
Tatsächlich entstand das Bild im Jahr 1928 als Beitrag für den Wettbewerb Das schönste deutsche Frauenporträt. Ausgerufen hatte ihn die Kosmetikfirma Elida – Laserstein berücksichtigte diesen Kontext und nahm sich des Themas gekonnt und mit einem eleganten Augenzwinkern in Richtung der Organisatoren an. Eine Seite aus der Zeitschrift Die Woche, auf der Lasersteins Gemälde neben weiteren Einsendungen zu sehen ist, zeigt, dass sie als einzige Teilnehmerin überhaupt das Thema Kosmetik tatsächlich ins Bild setzte. Zudem inszenierte sie ihr Modell wie auf einem Werbeplakat in einem modernen Close-up, das die Betrachterin unmittelbar in ihren Bann zieht.
Das Gemälde sicherte Laserstein einen Platz in der Endauswahl und somit weitreichende Publicity: Es war Teil einer Wanderausstellung, die wiederum breite Resonanz in der Presse fand. Lasersteins Beitrag wurde mehrfach positiv hervorgehoben. Ferner ergab sich daraus eine Einzelausstellung in der renommierten Galerie Gurlitt in Berlin. Die Teilnahme an dem publikumswirksamen Wettbewerb war jedoch nur einer von zahlreichen klugen Schachzügen, mit denen es Laserstein gelang, ihre Werke zu vermarkten.
Für eine Künstlerin in den 1920er- und 1930er-Jahren war es alles andere als selbstverständlich, sich mit ihrem Beruf über Wasser halten zu können. Laserstein nutzte dazu verschiedene Strategien. Zunächst verschaffte sie sich die nötige Berufslegitimität: Als eine der ersten Frauen besuchte sie von 1921 bis 1927 die altehrwürdige Akademische Hochschule für die Bildenden Künste in Berlin – erst seit 1919 waren Frauen hier überhaupt zugelassen. Danach konnte sie zwar noch nicht von ihrer Kunst leben, schuf sich jedoch gleichwohl finanzielle Unabhängigkeit.
In ihrem ersten eigenen Atelier richtete sie die „Zeichen und Malschule Lotte Laserstein“ ein und folgte damit dem Vorbild ihrer Tante Elsa Birnbaum. Ihre eigenen Werke dienten ihr als Werbung. Auf einem davon stellte sie sich in Aktion vor: Halb verdeckt von ihrer Palette arbeitet sie an einer Staffelei vor dem Aktmodell und gewährt potenziellen Schülern damit sogleich einen ersten Einblick in deren künftiges Unterrichtsumfeld.
Abgesehen von ihrem Einsatz als Lehrerin bemühte sich Laserstein um eine aktive Anbindung an professionelle Kreise. Sie war Mitglied diverser Künstlerinnenvereine wie dem Deutschen Lyceum-Club, dem Deutschen Staatsbürgerinnen-Verband oder dem Verein der Berliner Künstlerinnern (VdBK). Diese dienten als wertvolle Netzwerke und boten in regelmäßigen Abständen Ausstellungsmöglichkeiten, die Laserstein intensiv wahrnahm, um sich einen Kreis von Auftraggebern und Käufern zu erschließen.
Darüber hinaus platzierte Laserstein ihre Werke auch dort, wo sie die meiste Aufmerksamkeit bekamen: in den Medien. Zur Zeit der Weimarer Republik expandierten illustrierte Zeitschriften wie Der Bazaar rasant. Umfangreich bebilderte Artikel spielten ebenso wie Werbeanzeigen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung neuer Trends. Anders als Zeitgenossinnen wie die Berliner Künstlerin Jeanne Mammen fertigte Laserstein allerdings keine Auftragsarbeiten für diese Magazine an. Dennoch wurden ihre Gemälde abgedruckt, was ihr jeweils ein nicht zu verachtendes Honorar sicherte.
Dass Lasersteins Werke viel Anklang in populärkulturellen Medien fanden, dürfte nicht zuletzt auf die Wahl ihrer Bildthemen zurückzuführen sein. Sie richtet sich ganz auf ihr großstädtisches Umfeld in Berlin. Immer wieder setzt sie den Typus der sogenannten Neuen Frau in Szene, den sie mit Bubikopf und androgyner Kleidung auch selbst verkörperte. Selbstsicher präsentiert sie sich und ihre Modelle im Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, als sportliche Tennisspielerin ebenso wie als lässig-elegante Kaffeehausbesucherin. Die junge Frau mit der Puderdose ist ein weiteres Beispiel dafür, das außerdem subtil auf das politische Zeitgeschehen verweist: Vermutlich diente Laserstein in diesem Fall eine der russischen Exilantinnen als Modell, die das Berliner Stadtbild nach der Oktoberrevolution 1917 prägten.
Dieser Blick für einprägsame Repräsentantinnen des modernen Alltags, kombiniert mit einer strategisch geschickten Verbreitung ihrer Werke, verschaffte Laserstein bereits in den frühen Jahren ihres Werdegangs Anerkennung, Popularität und eine gewisse finanzielle Sicherheit. Ihr selbstbestimmtes Vorgehen scheint uns heute selbstverständlich: Die Pflege von Netzwerken und ein geschicktes Marketing bilden auch im digitalen Zeitalter das A und O einer jeden künstlerischen Karriere. Ebenso wie ihre modernen Modelle könnte sich Laserstein ganz unauffällig ins Jahr 2018 mischen.
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