Die psychedelische Kunst, die den Menschen in den 60-ern ins Auge sprang, blieb nicht lange nur an den Wänden der Kunstgalerien. Über eine Zeit, als Op-Art die Mode und Popkultur eroberte.
Strenge architektonische Formen bestimmen das Bild, geteilt durch Licht und Schatten. Davor positioniert: das Model Brigitte Bauer, gekleidet in einen Op-Art-Badeanzug. Hinter- und Vordergrund ergänzen einander, werden zu einer gemeinsamen dynamischen Komposition aus geometrischen Formen. Das Bild stammt von F.C. Gundlach und ist nicht nur charakteristisch für dessen Fotografiestil, sondern allen voran eine Hommage an die Op-Art.
Kaum hatte diese Stilrichtung in den 60er-Jahren die Kunstwelt erobert, weitete sie sich auch auf andere Bereiche aus: Ihre geometrischen Formen und Farbfiguren eroberten die Popkultur, die Werbung, Mode, Musik und das Interiordesign. Op-Art betrat die Catwalks, zog in die Wohnungen ein, zeigte sich gesellig auf den Straßen, auf Plattencovern ebenso wie Werbeanzeigen. Viele Op-Art-Künstler hatten genau diesen interdisziplinären Austausch gesucht, allen voran Victor Vasarely: Statt seine Werke als exquisite Teilhaber einer elitären Kunstszene zu verstehen, wollte er Kunst, Leben und Handwerk miteinander verbinden – ein Leitsatz, den er vom Weimarer Bauhaus übernommen hatte.
1930 zog Vasarely von Budapest nach Paris und arbeitete dort selbst als Grafikdesigner. In dieser Zeit begann er, sich intensiver mit grafischen Mitteln und deren Wirkung auf Raum sowie Wahrnehmung auseinanderzusetzen. Seine Kunst sollte verständlich und offen sein, um schließlich in den Alltag hineinwirken zu können. Und das tat sie: Vasarelys Grafiken zogen gleichermaßen in Galerien und Kaufhäuser ein. Er kreierte Prints zum kommerziellen Gebrauch und arbeitete immer wieder für große Unternehmen.
1972, auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, gestaltete Vasarely ein neues Rauten-Logo für Renault, das Emblem der Olympischen Sommerspiele in München wie auch den Speisesaal der Deutschen Bundesbank in Frankfurt. Seine Arbeiten tauchen auf diversen Plattencovern auf, etwa des Komponisten Iannis Xenakis oder von David Bowie, und inspirierten den kanadischen Komponisten John Rea sogar zu einem eigenständigen Werk (Hommage à Vasarely, 1977). Andere Op-Art-Künstler taten es ihm gleich – gemeinsam überführten sie die Op-Art erfolgreich in die Popkultur.
Hatten sich die flirrenden Formen erst einmal durchgesetzt, wurden sie von Designern, Fotografen, Magazinen und Musikern verwendet und weiterentwickelt. Der Zeitpunkt konnte kaum passender sein, denn in den 60er-Jahren kam es zur Mode-Revolution: Musik, Film, Design und soziale Veränderungen griffen ineinander und erfanden erstmals eine Mode nur für die Jugend. Allen voran den Mod-Look, dessen Wurzeln in London liegen. Die Kleidung der Mods war geradlinig und mod-ern, das sogenannte Target-Motiv ihr Logo. Parkas, schmale maßgeschneiderte Anzüge und kurze A-Form-Kleider gehörten zu ihrem festen Repertoire. Und die monochromen, geometrischen Prints der Op-Art komplettierten den Look.
Davon ließ sich auch der französische Modeschöpfer Pierre Cardin inspirieren und designte 1966 das Target Dress – die textilgewordene Ikone einer ganzen Dekade. Das Kleid wurde in allen führenden Magazinen gefeatured. Auch in anderen seiner Designs der darauffolgenden Jahre fand sich der Einfluss der Op-Art wieder und ging dabei immer häufiger mit futuristischen Einflüssen einher, etwa in Cardins Cosmos-Ensemble von 1967 oder seiner 1969-Kollektion, in der breite Streifen das bestimmende Element sind. Als der Mod-Style auf der anderen Seite des Atlantiks ankam, befand sich New York unter dem Einfluss der Op-Art-Ausstellung The Responsive Eye (1965).
Mittlerweile griffen auch andere bekannte Designerinnen und Designer die Motive auf, darunter André Courrèges, Mary Quant, Ossie Clark, Yves Saint Laurent. So experimentierte der französische Modeschöpfer André Courrèges – bekannt für seine spielerische Verbindung von kindlichen und geometrischen Elementen – mit den Mustern. Op-Art floss bei ihm seit 1965 verstärkt in einen Space Look, angelehnt an die Weltraumerforschung der 60er-Jahre. Seine Kleider trugen Schachbrett-Muster, die an Bridget Riley erinnerten, und auch noch in der Frühjahr/Sommer-Kollektion 1968 fand die Op-Art in seine Kreationen Eingang: mal explizit wie bei einem Kleid mit Trompe-l'œil-Bikini unter aufwändig gestickten Op-Art-Kreisen, dann wieder als verstecktere Anleihe in Form von kleinsten, jedoch regelmäßigen Kugel-Stickereien.
Yves Saint Laurent ließ sich für sein eigenes Modehaus Mitte der 60er-Jahre immer wieder von der Op-Art inspirieren und unregelmäßige Muster wie in Vasarelys Metagalaxie fanden sich zudem bei Designern wie Rossi wieder. Wie stark der Trend hin zu einer Synthese aus Op-Art und Futurismus ging, zeigen sowohl die erwähnten Designer als auch die Modemagazine selbst, allen voran Vogue, die ebenso ihre Stylings konsequent unter dessen ästhetische Herrschaft stellten.
Während einzelne Op-Art-Künstlerinnen und -Künstler auf die Kommerzialisierung ihres Werks kritisch reagierten, fand Vasarely sein dialogisches Ansinnen realisiert. Er selbst arbeitete sogar mit der Textilfirma Edinburgh Weavers zusammen, die neben Heal’s und Hull Traders den Weg für den Einzug von Op-Art-Prints in die Einrichtungen der Dekade bereiteten.
Bereits 1955 hatte Victor Vasarley in seinem Gelben Manifest (Manifest Jaune) gefordert, dass das Kunstwerk ein wiederholbarer, seriell vervielfältigbarer Prototyp, mit über die Kunst hinausreichender Anwendbarkeit seiner Formen sein solle – in den 60er- und 70er-Jahren wurde diese Vorstellung Realität. Auch wenn die psychedelischen Prints schließlich von organischen, naturinspirierten Formen abgelöst wurden, wirken sie bis heute nach. Immer wieder findet die Op-Art ihren Weg zurück in die Popkultur und insbesondere die Mode, um von bedeutenden Designern re-imaginiert zu werden: Comme des Garçons, Alexander McQueen, Dries van Noten, Issey Miyake, Jean Paul Gaultier, Junya Watanabe, Gareth Pugh, Louis Vuitton, Marc Jacobs, Marimekko, Pucci, Valentino – die Liste wächst stetig.
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