Gerade hatte sie sich als junge Künstlerin etabliert – da beendete der Nationalsozialismus Lotte Lasersteins Karriere: Im schwedischen Exil musste sie sich alles wieder aufbauen. Über einen Neubeginn in der Fremde.
So beschreibt die Künstlerin Lotte Laserstein rückblickend in den 1950er-Jahren die psychische und physische Belastung des erzwungenen Exils in Schweden. Als sie Deutschland verlassen musste, stand sie gerade am Anfang ihrer Karriere als bildende Künstlerin. Sie hatte zielstrebig darauf hingearbeitet und die professionelle Anbindung an verschiedene Künstlervereine gesucht, etwa den Deutschen Lyceum-Club, den Staatsbürgerinnen-Verband und den Verein der Berliner Künstlerinnen.
In ihrer ganzen Schaffenskraft hatte sich Lotte Laserstein gegen das gängige Vorurteil der Weimarer Zeit gestellt, Frauen seien Dilettantinnen. Sie lebte und arbeitete in dem anregenden Umfeld des Berlins der Weimarer Zeit und drückte dies in ihren Kompositionen und Motiven aus: Es waren die emanzipierten Städterinnen, die sie immer wieder in Porträts einfing – zu denen sie sich selbst auch zählte.
1933, mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, änderte sich ihr berufliches und privates Leben schlagartig. Die Freiheit der Selbstdefinition musste der ideologisch bestimmten Fremddefinition weichen. Laserstein wurde, obwohl protestantisch getauft, als Jüdin entrechtet, durfte nicht mehr für ihre Malschule werben und war unter anderem der antisemitischen Hetze ihres Vermieters ausgesetzt. 1935 beraubten die Nürnberger Rassegesetze sie ihrer Ausstellungsmöglichkeiten und Arbeitsmaterialien.
Wenn auch der 1933 gegründete Kulturbund Deutscher Juden (nur zwei Jahre später schon gezwungen sich umzubenennen in “Reichsverband der Jüdischen Kulturbünde in Deutschland”) eine Option für Ausstellungen und den Verkauf von Werken bot, so konnte sie ihren Lebensunterhalt damit nicht bestreiten: Als Laserstein Ende 1937 einer Einladung der Galerie Moderne in Stockholm folgte, um dort ihre Werke auszustellen, hatten schon zahlreiche Sammler, ebenfalls Opfer der Nürnberger Gesetze, das Deutsche Reich verlassen.
Der Weg in der neuen Heimat – wo Laserstein bis zu ihrem späten Tod bleiben sollte – gestaltete sich nicht ohne Hindernisse, auch hier konnte sie nicht uneingeschränkt frei arbeiten. Emigrantinnen und Emigranten waren selbst in Schweden vor antisemitischen Anfeindungen nicht geschützt. Lotte Laserstein erhielt Hilfe aus der Jüdischen Gemeinde in Stockholm und ging eine Scheinehe mit einem Gemeindemitglied ein, um die schwedische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Doch vor den schwedischen Behörden verbarg sie, dass sie in Deutschland als Jüdin verfolgt worden war.
Außerhalb ihres vertrauten Umfeldes und in einem völlig unbekannten Lebensraum, dessen Sprache sie erst erlernen musste, baute sich Laserstein wieder ein Netzwerk auf: die Emigrantenselbsthilfe Stockholms hatte sich nach den Novemberpogromen 1938 gegründet und leistete elementare Hilfsleistungen, an denen sich Laserstein beteiligte. Sie knüpfte nicht nur Kontakt zu anderen Emigranten, die sie in Porträts festhielt, sondern erhielt über ihre Galeristin und die Jüdische Gemeinde Stockholm auch Kontakte zur schwedischen Aristokratie.
Laserstein etablierte sich als Auftragsmalerin und porträtierte das Who's Who der Gesellschaft. Im Exil, in einem Land, das sie noch nicht als Heimat empfand, nahm sie die Position einer Außensicht ein. Brachte Laserstein in den Porträts ihrer Berliner Zeit noch das besondere und enge Verhältnis zum Modell zum Ausdruck, rief von nun an die Distanz zum Modell einen neuen Malstil hervor.
Das Exil bedeutete für Laserstein zwar eine neue berufliche Möglichkeit, aber vor allem auch einen tiefgreifenden persönlichen Lebenseinschnitt. Sie hatte ihre Heimat verlassen, in die sie nicht wieder zurückkehren würde, und befand sich nun in einem Land, das sie nicht als Heimat empfand. Zur Einsamkeit kam die Verzweiflung, denn Laserstein wusste ihre nahen Angehörigen – Schwester, Mutter und die engste Freundin Traute Rose – nicht mehr in ihrer Nähe und bangte um deren Sicherheit. Ihre Versuche, die Familie nach Schweden zu holen, waren vergeblich: Die Mutter wurde von den Nationalsozialisten ermordet, ihre Schwester überlebte die Kriegsjahre schwerst traumatisiert. Kein Wunder, dass Laserstein in den Nachkriegsjahren selbst in eine tiefe seelische Krise stürzte.
Die Emigration bedeutete für Laserstein, die sich im Laufe der Jahre als Künstlerin in Schweden etablieren konnte, ein „zweites Leben“, das sie nur dank ihrer Schaffenskraft und ihrer existenziellen Selbstdefinition als Künstlerin bewältigte.
Im Jüdischen Museum konnten wir 2013 mit der Ausstellung 1938. Kunst, Künstler, Politik tradierte Vorstellungen aufbrechen und herausragende Kunst zeigen, die im Exil entstanden ist – darunter auch das Werk Lotte Lasersteins. Es freut mich daher besonders, dass das Städel ihr nun eine Einzelausstellung widmet
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